Schwester Judith Wieland

Abtei vom Heiligen Kreuz Herstelle, Leiterin des Klosterladens

Es ist ein besonderer Ort. Ein Ort, der Ruhe ausstrahlt. Ein Ort, an dem man dem Himmel plötzlich näher zu sein scheint.  Hoch über der Weser im Dreiländereck Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen auf dem Hersteller Berg ist die hektische Welt plötzlich ganz weit weg. Und das für einen Nachmittag, für ein kurzes Gespräch, einen Gang durch den hübschen Klosterladen oder gleich für einen ganzen Urlaub. Der Aufenthalt bietet keinen Meerblick, kein Sonnen am Strand und kein Animationsprogramm. In der Benediktinerinnen-Abtei vom Heiligen Kreuz Herstelle, in dem 38 Schwestern leben, kommen Besucher zum Atem holen, Abschalten, Nachdenken und können dabei einfach den Lärm des Alltags draußen lassen.

Genau das begleitet auch Schwester Judith auf ihrem geistlichen Weg. Die 35-jährige Benediktinerin leitet seit zwei Jahren den Klosterladen der Abtei. Dort wechselt sie von der klösterlichen Stille in die Außenwelt, kommt mit vielen ins Gespräch. „Ich arbeite gern mit Menschen, mache sie mit unserem Leben vertraut“, erklärt Schwester Judith. Sie weiß, dass viele in die Klosterregion kommen, weil sie neugierig sind, Klöster eigentlich nur von Hören-Sagen oder vom Anschauen kennen. Die Faszination des Unbekannten spielt dabei eine große Rolle. „Wir bieten ja vielleicht so eine Art Gegenentwurf zur gesellschaftlichen Realität“, vermutet die Schwester. Manche Gäste suchen einen neuen Weg, weil sie sich in einer Sackgasse befinden, weil sie beruflich oder privat gestrandet sind oder auch weil sie sich für Spiritualität oder Kulturgeschichte interessieren. „Unsere Gäste haben ganz unterschiedliche Gründe, weshalb sie bei uns Zeit verbringen wollen.“ Und das Weshalb und Warum wird immer akzeptiert, der Mensch so angenommen, wie er ist.

Wer länger bleiben will: Im modernen Gästehaus St. Scholastika stehen 28 komfortable Zimmer zur Verfügung. Das Kloster lädt dazu ein, die Gottesdienste mitzumachen. Die Besucher müssen aber nicht. „Wir freuen uns, dass die Menschen mit einen Teil des Lebens mit uns verbringen, wollen sie aber nicht bekehren oder gar missionieren“, betont Schwester Judith mit einem Lächeln. Denn jeder dürfe und könne so bleiben und sich so geben, wie er ist. Hemmschwellen gibt es selten, der Kontakt ist sofort herzlich.  Denn: „Wir sind ja keine Engel, die unter der Decke schweben“, stellt Schwester Judith mit strahlendem Lächeln fest. Das vielfältige Kursprogramm könne dazu beitragen, dass Menschen wieder mehr Orientierung in ihrem Leben erhalten.

Die Abtei in Herstelle steht nicht für sich allein. Dem kulturellen Erbe der Klöster lasse sich in der Region wunderbar nachspüren, wie Schwester Judith selbst immer wieder erfährt. „Klöster werden in Mittelpunkt gerückt, bekommen Aufmerksamkeit und sind Teil der Region“, freut sich Schwester Judith. Neben dem UNESCO-Weltkulturerbe Corvey – „ein wahrhaft imposanter Ort, der Geschichte atmet“ – sei neben Herstelle natürlich die ehemalige Abtei Marienmünster für die Besucher sehenswert.

Schwester Judith hält auch viel von Sport. In ihrer Freizeit wandert sie gern und schwingt sich aufs Rad. Neben dem urigen Diemel-Radweg ist der Weser-Radweg ihr persönlicher Favorit. „Ohne viel Steigungen und Anstrengung kann man an der Weser weite Strecken zurücklegen, ohne dass man es merkt und dabei so viel landschaftlich Schönes entdecken“, schwärmt die aktive Benediktinerin.

Ansonsten sollten Besucher sich der Klosterregion mit allen Sinnen öffnen. „Mit kleinen Schritten den Weg unter den Füßen spüren und erfahren, was an Überfülle vorhanden ist“, sagt Schwester Judith. Ihre Familie aus dem Fränkischen verbringt übrigens gern ihre Ferien in der Abtei Herstelle. „Für meinen Vater ist das Kulturland inzwischen der liebste Urlaubsort“.